Galatians 5

Text: Galater 5,1-12 Nach dem bisher in der Lehre gelegten Grund fängt der Apostel nun an, mit herzlichen Zusprüchen in sie zu dringen, daß sie doch in der Wahrheit und in ihrer freimachenden Kraft bestehen, und selbige im Glauben ohne Mißverstand, und im Leben ohne Mißbrauch bewahren, und solches mit rechtschaffenem Wandel im Geist bezeugen möchten. Was sonst ein Bestehen im Glauben (1.Kor. 16, 13) , oder in der Gnade (Röm. 5, 2 und 1.Petr. 5, 12) heißt, dem gibt der Apostel diesmal gegen die Versuchung, da man ihnen das Gesetz als zur Seligkeit nötig auf den Hals schieben wollte, den Namen: In der Freiheit bestehen. Es ist aber eine Freiheit, womit uns Christus befreit hat; also auf der einen Seite kein zuchtloses, unordentliches Wesen, auf der anderen Seite aber ein Gut, das nicht gering zu achten ist, ohne von Christo und dem Herzens = Glauben an Ihn abzuweichen. Sobald mir etwas als zu meinem Gnadenstand vor GOtt und künftigen Seligkeit nötig aufgedrungen wird, so bringt es mich aus der unter dem sanften Joch Christi gefundenen Ruhe für meine Seele, und stürzt mich anfänglich in die Heuchelei, daß ich mir einbilde, es werde mehr ausgerichtet, als doch nicht ist; und wenn ich diesen Betrug endlich merke, so entsteht knechtischer Unwille. Einmal ist man ohne Grund dünkelhaft und selbstgefällig, und hernach über dem Unvermögen verdrossen und verzagt. Mit der Beschneidung fingen die Verführer an, und konnten es unschuldiger machen, weil doch Abraham schon vor dem Gesetz zum Siegel des Gnadenbundes die Beschneidung empfangen hat. Ihre Absicht war aber doch, der Galater Herz zu teilen, und selbiges von Christo und dem einigen Ruhm abzuziehen. Christo und seiner Erlösung, im Glauben gefaßt, läßt sich Nichts an die Seite setzen. Auch die, so Ruhm am Gesetz suchen, nehmen doch gemeiniglich nur so einige dem jedesmaligen Weltgeist einleuchtende, und Lob vor den Menschen bringende Stücke heraus, und bedenken nicht, daß sie das ganze Gesetz zu halten schuldig seien. Auch wenn man Christum nicht gerade durch Verleugnen mit Füßen tritt, kann man Ihn doch verlieren. Die neuesten Verführer bringen Christum so aus der Religion heraus, wie wenn man sich unvermerkt von Jemands Freundschaft entzieht. Eins muß vergeblich sein: entweder ist Christus vergeblich gestorben, oder ist mein Bemühen, durch das Gesetz gerecht zu werden, vergeblich. Gnade und Verdienst der Werke läßt sich nicht zusammenspannen. Bei dem Glauben ist die gründlichste Freudigkeit aus der Gerechtigkeit Christi und das bescheidenste Hinzutreten zu diesem Gnadenthron immer bei einander. Der Glaube übertreibt es mit dem jetzigen Glaubensruhm aus der ihm geschenkten Gerechtigkeit Christi nicht; sondern weiß, daß er auf die Krone der Gerechtigkeit noch zu warten hat. Inzwischen tut das der Gewißheit des Glaubens aus der Verheißung GOttes keinen Abbruch, sondern setzt und erhält den Glauben nur in steter Wachsamkeit, und macht ihn zum Warten auf die Barmherzigkeit JEsu Christi zum ewigen Leben so nötig als zum ersten Anfang. In Christo JEsu, in seinem durch die Predigt des Evangelii aufgerichteten Reich, und bei seiner Gemeinschaft gilt nichts, weder einen gegenwärtigen Ruhm, noch eine künftige Hoffnung zu gründen, als der Glaube, durch den aber in der Liebe das ganze Gesetz aufgerichtet wird. Das Überreden ist weder von Seiten der Verführer, noch auch von Seiten der Leichtgläubigkeit bei den Anderen fein. Luther sagt: Man kann die drei ersten Bitten im Vater Unser nicht beten, ohne zugleich dem Reich des Teufels zu fluchen; so konnte der Apostel die Hoffnung zur Wiederaufrichtung der Galater nicht fassen, ohne auch den Blick dahin zu tun, daß die, so sie verstören, werden ausgerottet werden. O GOtt! Dein Geist belebe mich, daß ich aus dem Glauben die Hoffnung der Gerechtigkeit erwarte, und daß der Glaube bei mir durch die Liebe tätig sei! Amen ! Text: Galater 5,13-18 Ermahnung, bei dem Wandel in der Liebe und im Geist zu verhüten, daß das Fleisch an der Freiheit nicht Gelegenheit nehmen kann, seine Lüste wieder auflebend und geltend zu machen. Was ist Edleres, als solche evangelische Lauterkeit, dabei man sich der Gnade JEsu Christi freut ohne Sicherheit des Fleisches, und da man dem Fleisch Widerstand tut, ohne einen vom Gesetz angerichteten Grimm, wobei das Verbotene doch noch lustig anzusehen ist; sondern so, daß man sich dem Geist und seinem neugeschaffenen Willen nach von den geheimsten Lüsten und dem Belieben daran lossagen kann, dem Gesetz aber es doch eingesteht, daß man im Fleisch damit behaftet ist, und es auch nicht anders als durch das Kreuz Christi und die Gemeinschaft seiner Leiden, und zuletzt durch die Ähnlichkeit seines Todes zum Aufhören bringen kann. Die Freiheit, wozu man durch das Evangelium berufen ist, geht dahin, nicht daß man sich eigenmächtig und dem Fleisch zu Gefallen vom Gesetz losreißt, sondern daß man durch Erkenntnis der Wahrheit darauf kommt: Das Gesetz ist nie gegeben gewesen, als ob es könnte lebendig machen, und die Gerechtigkeit zu gewähren, sondern daß es den Menschen so unter die Sünde beschließen und in die Enge treiben sollte, damit er dem Gesetz den Ruhm der Heiligkeit und Güte ließe, das Unvermögen aber und die Schuld dessen auf sich nehme, und nun die Gnade und ihren verschafften Ausweg, durch den Glauben an JEsum Christum zur Gerechtigkeit zu kommen, demütig ehrte. In solche Freiheit kann das Gesetz den Menschen mit Ehren entlassen: denn durch Christum und den am Kreuz getragenen Fluch hat das Gesetz seine höchste Ehre, und die Sünde oder das Fleisch gewinnt dadurch keinen Vorteil. Denn eben, was dem Gesetz unmöglich war, einen innern anhaltenden Haß gegen das Arge, und ein innerliches aus willigem Geist fließendes Anhangen an das Gute zuwege zu bringen, das richtet der Glaube an Christum aus; und daher ist die Glaubensfreiheit nicht wider das Gesetz. O wie ein manches evangelisches Rufen braucht es, einen dahin zu bringen. Vorsicht bedarf es auch, auf der Freiheitsbahn zu bleiben; aber keine kümmerliche Ängstlichkeit. Die sündliche Unart unserer Natur, die zum Guten träge, zum Bösen, sonderlich zu einem vor dem andern geneigt, reizend und lockend ist, sucht immer wieder Raum und Gelegenheit auszubrechen. Der Ruf des Evangelii zu Christo und der Gnade, die durch Ihn geworden ist, der Sinn, mit Christo ein Geist zu sein, bringt unter das Gesetz Christi, wobei man in der Liebe Alles beisammen hat; und gewährt auch die Willigkeit, durch Liebe einander zu dienen, und mithin sich darnach zu achten, daß in Christo Alles Eins sei. Wer aber seine Sache mit dem Gesetz noch gar nicht ausgemacht hat, sondern wen es noch als einen Ungerechten in vielen Stücken zu verdammen Fug und Macht hat, der sehe zu, ob es Grund hat, wenn er sich doch anmaßen will, als ob er so in der Liebe zu allen Menschen stünde. Mit der vorgegebenen Menschen = Liebe sich des Glaubens an das Evangelium erwehren, ist ein mißliches Zeichen unserer Zeit . So lange der Mensch noch sich selbst rechtfertigen will, so ist er gewiß mit jener Frage des Schriftgelehrten: Wer ist denn mein Nächster? nicht fertig, sondern sucht daran einzuschränken, was er kann. Eine unzertrennliche Folge vom Selbstrechtfertigen ist: Andere verachten, Ruhm an Anderen suchen, des Anderen Gutes vernichtigen. Am guten Namen und Leumund fangt das Beißen an; man schreitet aber leicht auch weiter dahin, am Vermögen Schaden zu tun, Verdienst abzuspannen, wodurch oft alle gemeinschaftliche Hilfeleistung abgeschnitten wird. Daß man aber den bei dem Glauben an das Evangelium empfangenen Geist Christi und die Wirkungen desselben kennen lernt, muß man einen oft zurechtweisen und sagen: Wandelt im Geist, bleibt unter dessen Regiment, folgt Ihm in Tun und Lassen. Das Fleisch und die mit demselben anklebende Sünde, die Lust und ihr Reizen und Locken erfährt man freilich; ja es können auch Fälle vorkommen, wo nicht deutlich genug ist, ob nicht die Lust empfangen, und betrüglicher Weise den Willen abgewonnen hat. Aber durch Erneuerung im Geist des Gemüts darf man sich doch allemal wieder dafür achten, daß man kein Schuldner des Fleisches sei, seine Lust zu vollbringen, sondern vielmehr aus Christi Kreuz den Fluch darauf lege, und aus Christi Geist die Willigkeit habe, sich davon zu scheiden, daß, was also ohne unseren Sinn und Willen geschieht, unter das Wort gehört: nicht ich, sondern die Sünde, die in mir wohnt (Röm. 7, 17) . Unter dem Gelüsten des Fleisches und Geistes wider einander muß offenbar werden, wohin der Mensch nach genugsam empfangener Kraft seinen Willen lenke, und womit er es standhaft halte? Gehen des Geistes Triebe und Leitungen bei einem Menschen fort, und hält er es redlich mit dem Geist und dessen heiligen Gelüsten wider das Fleisch, so hat man zwar nichts wider das Gesetz, streitet ihm nichts ab, was es Mangelhaftes zeigt; aber man steht nicht unter ihm, daß man sein Endurteil von ihm zu empfangen hätte . Christus hat den Gläubigen gegen allen Fluch des Gesetzes unter seinen Versöhnungsschirm genommen, und hat ihm darüber seinen Geist geschenkt, der ihn wie zu anderem Guten, also auch zum Kämpfen über diesem Glauben treibt, wenn es schon manche Not und Zweifel gibt, bis man es immer so glauben und üben kann. Text: Galater 5,19-24 Der Apostel macht Gelegenheit, daß man es in der Prüfung seiner selbst leichter abnehmen kann, ob man auf dem rechten Weg sei, und das Fleisch mit seinen Geschäften nicht aufkommen lasse? aber auch die Kraft dagegen lauterlich von Christi Kreuz hernehme? auch ob man im rechten Fleiß der Heiligung stehe, Alles aber als eine Frucht des Geistes in sich aufwachsen lasse? Was hier Werke des Fleisches heißen, nennt der Apostel, Röm. 8, 13 Geschäft, weil Manches nicht gerade zu einem in die Augen der Menschen fallenden Werk ausschlägt, und doch viel verwüstendes Geschäft anrichtet, z. B. Unreinigkeit, Neid, Zorn. Doch stehen auch hier die vorzüglich so genannten Lüste des Fleisches vornen an, weil selbige vor anderen die Absicht und Hoffnung auf unsere anerschaffene Unschuld und die darauf zielenden Seufzer der Schamhaftigkeit am gewaltigsten auslöschen, oft auch anderen Personen eine sehr ungebührliche Macht über unseren Leib einräumen, wodurch einem der Weg zur Freiheit noch mehr abgeschnitten wird. Unter Abgötterei und Zauberei wird die Abweichung des Herzens von dem lebendigen GOtt zusammen genommen, wobei man mit der Furcht, Liebe und Vertrauen seines Herzens auf Manches im Sichtbaren und Unsichtbaren hinfällt, entweder sich Vorteil zuzuwenden oder Anderen Schaden zuzufügen. Feindschaft kann gehegt werden, wenn man auch noch so sehr an sich hält, und die Gelegenheit, seinen Mut zu kühlen, nur in der Stille abwartet. Hader aber bricht in Worte: Raka, Narrsagen, aus. Neid mißgönnt dem Anderen sein Gutes, verkleinert es, weil man sorgt, es tue uns Abbruch, stehe unseren Absichten entgegen. – Bei Zorn, Zank, Zwietracht ist Herz, Zunge und andere Glieder von der Hölle entzündet. Rotten entstehen, wo man den fleischlichen Sinn auch in Glaubenssachen und solche Verbindungen einmengt, in denen man deshalben steht. Haß ist aufgeblasen, kann den Anderen nicht leiden, sein Werk nicht fördern, versagt ihm vielmehr nützliche Dienste. Was zu bloßer Wollust, Zeitvertreib, Nahrung und Entzündung obiger Lüste im Genuß der Speise und des Trankes geschieht, heißt Fressen und Saufen . Ohne Buße von dergleichen toten Werken hat das Evangelium weder können gepredigt, noch angenommen werden. Zum sicheren Schluß auf seinen Gegenstand gehört nicht nur, das Arge zu hassen, sondern auch dem Guten mit redlichem Geisteswillen anzuhangen. Und zwar ist es bei den Geschäften und Werken des Fleisches gefährlich genug, wenn auch nur Eines oder das Andere sich des Menschen bemeistert; an der Frucht des Geistes aber gehört Alles zusammen; und zwar so, daß es sich, wie eine gute Frucht, im Wachstum findet. Liebe steht als die Mutter der übrigen voran, und umfaßt hier Beides, Liebe GOttes und des Nächsten. Freude an dem guten gnädigen Willen GOttes, und was daraus uns und Anderen Gutes zufließt, wehrt dem Neid zc. Friede wehrt den Sorgen, und aller daher kommenden Trennungen, setzt und stillt die Seele in GOtt, daß sie hernach auch mit Anderen leichter Frieden halten kann. Geduld ist eine fortgesetzte Liebe aus innerer Stärke, die auch etwas Widriges tragen kann. Freundlichkeit sucht ohne Eigennutz Liebe mit Liebe zu gewinnen, damit mehr freundschaftliche Handreichung und Erquickung in diesem mühseligen Leben erreicht werde. Gütigkeit ist die Bereitwilligkeit, mit der empfangenen Gabe Anderen zu dienen, wie es ihre Umstände erfordern. Glaube oder Treue ist eigentlich dem Rottenmachen und allem Friede = Störenden entgegen gesetzt; da man nämlich auch in seinen Schwachheiten und Mängeln vor Anderen aufgedeckt zu werden sich nicht scheut; hinwiederum das, was man von Anderer Gebrechen gewahr wird, sich nicht im Vertrauen zurückschlagen läßt, noch von dem, was sie einem selbst entdecken, üblen Gebrauch macht. Sanftmut schwingt sich auch unter den Anläufen von Anderer Unarten immer wieder in das Element der Liebe GOttes, und ist daher Guten und Bösen zu begegnen gestärkt. Keuschheit enthält sich Alles dessen, was wider die Seele streitet, was den Geist aus dem Regiment über Herz, Sinnen und Glieder setzen, und einen wieder in die Fühllosigkeit und Unbedachtsamkeit stürzen könnte. Solchen, die nach dem Geist leben, und in denen die – vom Gesetz erforderte Gerechtigkeit Christi aufgerichtet wird, liegt das Gesetz mit seinem Fluchen und Drohen nicht auf (1.Tim. 1, 8) . Sie sind aber auch nicht wider das Gesetz, streiten ihm nichts ab, lassen ihm gelten, daß ihr Gutes nicht vollkommen gut sei. Das Gesetz kann sie aber doch entlassen, weil sie ihm durch den Glauben an JEsu Kreuz die Ehre geben. Die aber so vom Gesetz und aller Geschäftigkeit, aus demselben das Leben und die Gerechtigkeit zu haben, abgekommen sind, und hingegen Christo, als ihrem Haupt, angehören, und Ihn zu ihrer Lebens = und Heiligungs = Quelle annehmen, die halten ihr Fleisch gekreuzigt, sind und leben also freilich noch im Fleisch, erfahren daher die hartanklebende und trägmachende Sünde, die reizend und lockende eigene Lust, haben aber aus dem Evangelio den Sinn GOttes beim Kreuz Christi erkannt und geglaubt, und könne das – am Fleisch ihres Versöhners ausgeführte Gericht, in GOttes Augen gültig, als auch über ihr Fleisch glauben, und sich als mit Christo gekreuzigt ansehen, verlangen auch wirklich keine Ruhe für das Fleisch, sondern legen den Fluch darauf, der durch das Kreuz Christi darauf gelegt ist, und sehen diesem langsamen und schmerzlichen Sterben mit einer aus dem Evangelio gefaßten Hoffnung des Lebens zu. Ach Liebe! Zeuch uns in den Sterben, laß mit Dir gekreuzigt sein, was Dein Reich nicht kann ererben! Text: Galater 5,25-6,5 Die wiederholte Ermahnung, im Geist zu wandeln, belegt ihnen der Apostel mit solchen Exempeln, wozu sie besonders häufige Gelegenheit hatten, nämlich daß Jeder am gernsten bei sich selbst bleibe, und an seiner eigenen Erfahrung lerne: ich habe mit mir und meiner Last genug zu tun, mithin nicht fürwitzig, vielweniger richterisch auf Andere und ihr Gebrechen zu sehen, oder mich in Alles zu mengen. Bei dem gekreuzigt gehaltenen Fleisch kann erst der Geist aufkommen; dessen Leben zeigt sich bei anwachsender Stärke im Wandeln. Wenn schon Wandeln eine vom Leben unzertrennliche Folge ist, so ermuntert doch der Apostel dazu, als zu einer Pflicht, wegen der Gefahr der sich ansetzenden Trägheit, und weil zu dem regelmäßigen Wandeln auch eine eigene Sorgfalt gehört. Auch die im Geist leben, sind noch versuchlichen Anfällen vom Gesuch eitler Ehre ausgesetzt, wobei, entweder der, so es besser hat, und seine Sache mehr in das Gesicht richten kann, den Anderen entrüstet, und herausfordert; oder der, so dem Anderen zusehen soll, und nicht in Allem so nachkommen kann, in das Neiden und Hassen gerät. Schon der Vortrag, den der Apostel von dem Verhalten bei Anderer Fehlern tut, ist so eingerichtet, daß man dabei auf die gelindere Seite gezogen wird. Ein Mensch (wie leicht kann der fehlen) wird übereilt von der Behendigkeit der Versuchung, vom Zusammenschlagen vieler Umstände, die ihm die Durchsicht erschwert haben. Bei solchen Umständen aber kann Ermahnen, Bestrafen, Überzeugen, Trösten und dgl. den Dienst des Zurechthelfens tun, wie ein verrenktes Glied wieder kann eingerichtet werden. Dazu gehört aber Geist ; mithin auf der einen Seite nicht blinde Liebe, nicht nachlässige Geringschätzung des Fehlers; auf der anderen Seite aber auch nicht Strenge, sondern Einsicht in das Evangelium, und daraus sanftmütige Beherzigung, wie es mit der Kreuzigung des Fleisches und mit dem Erstarken des inwendigen Menschen bei uns zugehe. Den schönen Namen der Geistlichen hat sich in vorigen Zeiten der Lehrstand allein anmaßen wollen. Er gehört aber Allen, die an sich selbst die Gnadenkur redlich aushalten, und daher auch Anderen zu begegnen wissen. – O ein eitler Ehre geiziges Herz, das oft nicht anders zur Demut und zur sanftmütigen Behandlung seines Nebenmenschen gebracht werden kann, als durch Ausbruch seiner eigenen Fehler. GOtt duldete ihre Weise, heißt es Apg. 13, 18 von der Führung GOttes mit seinem Volk in der Wüste; und so hat freilich noch Jeder seine eigne Weise; aus seiner eigenen Lust erwächst ihm eine eigene Last, etwas, das ihm selbst in seinem unanstößlichen Lauf zum Aufenthalt wird, und das auch Anderen an ihm beschwerlich fällt. Aber durch tragsame Liebe erfüllen wir an ihm das Gesetz Christi, der gekommen ist, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist, und der uns gern zu solchen Werkzeugen seiner Gnade bereiten will, die diesem gnädigen Willen GOttes an Anderen dienen. Wer sich aber dünken läßt, etwas zu sein, weniger Fehler zu haben, Anderer tragende Liebe nicht so zu bedürfen, der kann in einer solchen verführten Sicherheit einen schweren Fall tun. In Vergleichung mit Anderen, oder gar in Verkleinerung Anderer, in Ausbreitung ihrer Fehler Ruhm suchen wollen, ist sehr mißlich, und wird nichts helfen, wenn einmal Jeder seine Last tragen, für sich selbst GOtt wird Rechenschaft geben müssen. Sich selbst richten, sein eigen Werk prüfen, und in dieser Absicht sich fleißig in das Licht jenes Tages hineinstellen, trägt viel Bewahrung aus.
Copyright information for Rieger